Sonntag, 17. Mai 2009

Auf der Reise - Rastlos

Kyoto (Maerz 2009)

Reise – hier, da irgendwo und nirgendwo. Alles sehen und doch ohne Sinn verstehen. Treiben, hetzen, weiter, immer weiter, verweilen nur für den kurzmöglichsten Augenblick. Zum Nachdenken keine Zeit, zum Schlafen, Träumen, Verarbeiten reicht es nicht – allemal zum gierigen Aufsaugen unendlich vieler teils bekannter, vorgeprägter Impressionen.


Ein Käsebrot zwischendurch wird zum Highlight. Auf der Suche nach mehr soll uns weniger genügen!

Abseits von den Massen werden flüchtige Momente zu Orten des Verweilens, des Nachdenkens – so die unverhofft lange Wanderung durch Toriis, rot und schwarz und Wald. Eine Shreinanlage etwas abseits von Kyoto. Füchse überall in Stein. Eine Familie betet singend bevor sie uns abermals mit raschen Schritten überholt. Läufer trainieren bergauf und trotz allem herrscht ein unantastbarer Frieden. Wir finden uns wieder.
Am Shreinausgang, zurück in der Welt der Rationalität und Ökonomie, geben wir uns den Souveniers hin, wiederstehen aber tapfer der Versuchung überteuerten Nippes als Andenken mitzunehmen. Einzig bleiben sollen die Bilder, die Erinnerungen.



Zurück in der Zug – zurück in die große Stadt, auf der vergeblichen Suche nach dem vom Lonley Planet angepriesenen Lebensmittelmarkt. - Die Stimmung sinkt. Kälte und Hunger treiben sie weiter in den Keller. Nachdem wir auch das historische Museum nicht finden bleibt die Flucht in die wohlig warmen Tempel des Konsums – Museen aktueller Wünsche, Moden, Verrücktheiten; Spiegel dessen was wir leben?! Freude über verschiedenste Extravaganzen. Wobei natürlich die Nützlichkeit eines hell gefärbten Kunstponys auf der Hand liegt. Auf dem hartumkämpften Fortpflanzungs- und Heiratsmarkt zeigen ja schon Versuche bei Zebrafinken, dass angeklebte weiße Schöpfe die Fortpflanzungsrate deutlich erhöhen, warum also nicht auch angeklebte Ponys bei Menschen. Zum Glück entscheiden sich die beiden Kyoto-Mädels vor uns nach ernsthaftem Anprobieren vor dem Spiegel aber gegen den Kauf dieses so schönheitsfördernden Produktes. -Vielleicht sind sie, wie wir zu dem Schluss gekommen, dass Menschen und Zebrafinken doch verschiedener sind als man so denkt und dass die emanzipierte Frau von heute einen solchen Blödsinn nicht nötig hat. - Vielleicht haben sie sich aber auch für die roten Ringe um die Beine entschieden, welche die Fortpflanzungsrate bei besagten Finken ebenso steigert, wie der weiße Schopf. - Bei einem Blick auf ihre rosa aufgeklebten Fingernägel mit glitzernd blinkenden Strasssteinen scheint zweite Annahme wahrscheinlicher.
Fingernägel, rote Ringe, Ponys und Schöpfe: Signale, welche die Aufmerksamkeit potentialer Partner auf uns lenken soll. Ich überlege mir, ob ich den Pony mal anprobieren soll (potentieller ¡Partner!). Entsinne mich aber darauf, dass Menschen und Finken anders ticken (sollten).


Rastlos – wieder in die Kälte und jetzt – Essen – wieder in dem billigen Restaurant von gestern Abend? Nein, lieber Instandnudeln mit zur Jugendherberge nehmen, ein bisschen was Frisches dazu. Dort erwarten uns die beiden „Dudes“ vom gestrigen Abend (unserem ersten in Kyoto). Weit gereiste Europäer, oder Nordamerikaner, die alles gesehen haben und damit außerdem den Schlüssel zum Allwissen verschluckten. Dem unnatürlichen Drang dieses Wissen mit möglichst vielen Unwissenden (Mai und ich zum Beispiel) zu teilen können sie selten wiederstehen und so gehen sie wann immer man sie trifft ihrer Lieblingsbeschäftigung nach und lamentieren, palavern, quasseln. Meist völlige Belanglosigkeiten, hin und wieder auch flaches Philosophieren.
Glücklicherweise verschwinden sie zum von der Jugendherberge geplanten Abendprogramm, als wir unser Fertigessen für weniger als einen Euro genießen. Die Abendveranstaltung fängt und fängt nicht an – wir lästern ein wenig, dann aber wird auf dem Chamisen gespielt und traditionell gesungen. Wir stellen fest, dass eine Maiko (Geishaschülerin) tanzt und verstehen nun die uns zuvor kryptisch anmutenden Sätze einer verwirrten Japanerin, die uns über die bevorstehende Darbietung der Maiko aufklären wollte und welche wir am nächsten Tag um kurz nach sechs an der Bushaltestelle wieder treffen.
Der Tanz (im Kimono und mit traditionellem Maikomakeup) ist schön, fremd, ergreifend und langweilig zugleich. Später dürfen Fotos mit der Maiko gemacht werden. Die kurze Überlegung, ob wir das wollen – Nein.
Die „Dudes“, wie kann es anders sein, posieren stolz neben der Maiko unter dem beleuchteten nächtlichen Kirschbaum. Sie haben jeder ein großes und ein kleines Foto – alle freuen sich mit ihnen. Wir machen unser Puzzle fertig – alle freuen sich mit uns. Die Situation gleitet ins Absurde ab und wir gehen ins Bett.











1 Kommentar:

  1. super! richtig gut du kleiner Zebrafink :-)
    danke für die kurze zeitreise zurück in unsere ereignisreiche reisezeit!

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