Dienstag, 2. Juni 2009

Fukuoka


Große Stadt

Mein Visum muss verlängert werden. Nach ergiebiger Suche im Internet komme ich zu dem Schluss, dass ich dazu in die noch größere Stadt fahren muss, was aber gar nicht so ist, wie man mir dort angekommen mitteilt. - Dann eben nicht. Den benötigten Stempel erhalte ich glücklicherweise trotzdem und beschließe den Resttag am Meer zu verbringen.


So liege ich nun am Stadtstrand. Allein, nachdem der sich nackt auf einer Alufolie räkelnde Japaner verschwunden ist. Von Sonne keine Spur, dafür weht mir kalte Seeluft ins Gesicht - zu kalt, so lange wie gedacht werde ich hier wohl nicht faulenzen.
Tauben am Strand. Und plötzlich scheinen nicht die glitzernden Glasfassaden der Businessbauten Fukuokas in die Natur gebaut, sondern das Meer wirkt wie gestellt, wie Kulisse in der Truemanshow. Die gestaltete Promenade säumt das zahme Meer ein und gibt dem Ganzen den Anschein eines zu groß angelegten Gartenteichs.











Und dazu eine toscanische Kirche auf einem ins Wasser ragenden Steg.
Meine durch tropische Regenwälder in berliner Zeppelinhallen und winterliche Schneelandschaften im nordrheinwestfälischen Hochsommer verwirrten Sinne erzählen mir von Glück und Harmonie zwischen Meer, Toscanaimitat und Businesswelt.
Die Kulisse zwischen Sein und Schein enthüllt den Lifestyle derer die hier feiern. Weder arm, noch soziale Außenseiter heiratet hier die gutbürgerliche Mittel- bis Oberschicht, welche dem Kitsch des japanischen Entwurfs des Westens verfallen ist. Im Spielzeugformat leistet man sich abendländische Exotik, stilisiert und verklärt. Frankreich, Italien – Zauberwörter, ferne Länder in denen Ursprünglichkeit und alte Werte zu finden sind.
In der toscanischen Disneykirche findet gerade Barbies Traumhochzeit statt. Im rosa Megaprinzessinenkleid feiert man sich im Plastikschloss. – Eines der größten Fremdheitserlebnisse seit ich hier bin!

Neben Barbies Disneyschloss gehe ich in einer Strandbar einen Milchkaffee trinken. Überteuert wie erwartet, chillig und so gar nicht japanisch. – Die Bar könnte überall, an jedem beliebigen Strand dieser Welt stehen. Japanische Sunnyboys, australische Surferjungs wahlweise hinter der Theke. Wer diese Bar eröffnet hat der ist gereist, so was sieht man.
Was aber unterscheidet diesen chilligen Ort von Barbies Schloss? Ist er nicht ebenso künstlich, gestellt, unauthentisch (1. wie 2. Ordnung :-))?
Warum sollte er in irgendeiner Weise besser sein?
Japansicher Jack Johnson-Verschnitt dudelt im Hintergrund, es gibt Steinofenpizza und ich entdecke gerade, dass die Bar den netten Namen „mamamia“ trägt. Zwischen Abba und Italien kann ich mir ein breites Lächeln nicht verkneifen.
Ich sitze aber vor einem DJ-Pult vor einer Wand an der sich Partygäste vergangener Tage verewigt haben, vor einem Bild, das eine Künstlerin namens tiny in grellen Farben gepinselt hat und werde von Kellnern bedient die nicht nur ein bisschen charmant sind. Alles hier trägt eine persönliche, menschliche Note, locker und lässig. Nicht die kühl sterile Perfektion von Barbies Traumschloss nebenan. Deshalb schöner, deshalb besser. – So einfach. Die Kellner umarmen sich und lachen.
Es mag Menschen geben, die es schaffen in Barbies Traumschloss warm und menschlich zu bleiben, doch kenne ich nicht viele. - Die meisten scheinen ebenso perfekt kühl, wie das Kitschschloss in dem sie feiern, wie die perfekt garnierten Speisen die sie essen, ohne Makel, ohne Kanten oder Ecken. Mit Porzellangesichtern, unzugänglich und steif. Vielleicht urteile ich hier zu schnell. Vielleicht haben Barbie und Ken gefunden wonach wir alle suchen: Sinn
- oder Unsinn, mit oder ohne Verstand. Wer besitzt schon die Position das zu beurteilen. Toleranz also bin zum Umfallen?! – Nein, alles hat seine Grenzen und Plastiktoscana am japanischen Strand ist für mich sozusagen Elektroschockstacheldrahtzaun gesichertes Grenzland auf das ich mich nicht vorwagen möchte noch werde.